Lokale Agenda 21 und Konsequenzen für die Kommunen

Veröffentlichung: Eildienst - Informationen für Rat und Verwaltung des Deutschen Städtetages, 08.10.98. Abdruck in: Saarländische Kommunal Zeitschrift - Mitteilungsblatt für Ratsmitglieder und Kommunalverwaltungen Heft 11, 1998.

1. Die Situation der Kommunen in NRW

Die Verwaltungen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens werden derzeit mit zahllosen Publikationen, Handlungsanweisungen, Strategien und sonstigen Materialien zu einer umweltgerechten Entwicklung und einem effektiven Klimaschutz konfrontiert. Die unterschiedlichsten Gruppierungen und Institutionen bilden Arbeitskreise und Gesprächsrunden oder veranstalten Workshops. Auf allen Verwaltungs- und Politikebenen wird das Thema der Nachhaltigkeit diskutiert und die Kommunen werden von Bezirksregierungen und Kreisen aufgefordert, den Stand ihrer Planungen zu dokumentieren. Teilweise werden sogenannte Agendabüros eingerichtet und neue Stellen geschaffen. Nachhaltigkeit, so heißt es, werde als Herausforderung verstanden, ein neues Leitbild für die Entwicklung der Städte und Gemeinden auszugestalten, das den Ressourcenschutz und die Umweltverträglichkeit in den Mittelpunkt stellt.

Doch was, so fragen sich viele mit dem Thema Umweltschutz befaßte Wissenschaftler und in den Kommunalverwaltungen für den Umweltschutz verantwortliche Mitarbeiter, ist bloß an diesem Leitbild und an dem neuen Lieblingsbegriff der Politiker und Planer des "sustainable development" wirklich neu? Die in der Forstwirtschaft seit ewigen Zeiten geltende Maxime der Nachhaltigkeit beruht auf den Erkenntnissen des Salzbergbaus bei Bad Reichenhall um das Jahr 1500. Schon damals erkannte man, daß der Bergbau eingestellt werden muß, wenn die Wälder übernutzt werden. Es wurde daher nur noch soviel gerodet, daß auch die nächsten Generationen noch gleichviel nutzen können. Allgemeingut wurde dieses Denken allerdings erst nach 1800, als einer der Forstklassiker G. L. Hartig schrieb: "Jede weise Forstdirektion muß die Waldungen taxieren lassen und sie so zu benutzen suchen, daß die Nachkommenschaft mindestens ebensoviel Vorteil daraus ziehen kann, als sich die jetzt lebende Generation zueignet".

Schon vor Jahrzehnten erkannte man die Übernutzung der Ressourcen und die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Umweltbelange in der Planung. Bei der mit dem internationalen WWF (Worldwide fund of Nature) kooperierenden IUCN (ursprünglich International Union for the Conservation of Nature, heute World Conservation Union) wurde bereits Anfang der achtziger Jahre eine Studie über nachhaltige Ressourcennutzung angefertigt, dessen zentrales Stichwort "sustainability" war. Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten der EU beispielsweise stammt vom 27.6.1985 und spätestens nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und dem Großbrand eines Lagers der Sandoz AG in Basel im Jahr 1986 dürfte das Bewußtsein für die Notwendigkeit eines Umdenkens hin zu einem weniger umweltschädigenden menschlichen Dasein bei Politikern und Bürgern vorhanden sein.
Auf der Umweltkonferenz von Rio im Jahr 1992 und in der Charta von Aalborg 1994 wird nun Altbekanntes unter dem neuen Begriff der Lokalen Agenda 21 mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung wieder in das Gedächtnis der Beteiligten gerufen. U. a. werden Kommunalverwaltungen und verantwortliche Politiker aufgefordert, konkreten Umweltschutz mit ihren Bürgern zu praktizieren. Mit dem vom Städte- und Gemeindebund in Zusammenarbeit mit der Kommunalen-Umwelt-Aktion herausgegebenen Bericht "Kommunale Agenda 21" werden beispielhafte Umsetzungen der Agenda 21 in den Kommunen zusammengetragen. Sämtliche kommunalen Aktivitäten in den Themenbereichen Energie, Bauen, Verkehr, Abfall- und Abwasserentsorgung, Natur- und Grünbereich, Beschaffung und Vergabe etc. werden als Reaktion der Kommunen auf die Veranstaltungen in Rio und Aalborg "verkauft".
Zu bedenken gilt es hier allerdings, daß die weitaus überwiegende Anzahl der Maßnahmen völlig unabhängig von Klimagipfeln und hochpolitischen Konferenzen in den Kommunen realisiert wurden und werden. So beruht in Nordrhein-Westfalen z.B. der ökologische Umgang mit dem Niederschlagswasser zum einen auf den stetig steigenden Kosten für Mischwasserkanäle, Regenwasserbehandlung und Kläranlagen und zum anderen auf dem seit 1996 novellierten Landeswassergesetz, welches die umweltgerechte Regenwasserbewirtschaftung fordert. Durch die Umstellung der Gebührenerhebung der Kommunen auf einen differenzierten Maßstab, der eine gesonderte Gebühr für Oberflächenwasser vorsieht, reagieren die Bürger sehr schnell; so sind Maßnahmen mit dem Ziel der Versickerung und Entsiegelung plötzlich hochaktuell, da sie auf diese Weise direkt im Geldbeutel spürbar werden! Auch die im o. g. Bericht erwähnte Deponie- und Klärgasnutzung ist ein seit Jahren bzw. Jahrzehnten angewandtes Verfahren zur Schonung fossiler Energieträger und der Finanzhaushalte der Anlagenbetreiber. Hier findet lediglich noch eine technische Optimierung und eine Erhöhung des Wirkungsgrades statt. Diese Liste läßt sich fortsetzen.
Ohne die im genannten Bericht zitierten Maßnahmen vom Verzicht auf Tropenholz im öffentlichen Auftrag über die Abfallberatung in Schulen bis zu Patenschaften für Gewässer oder Auslobung von Umweltpreisen abwerten zu wollen, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen ursächlich durch die Lokale Agenda mit welchem Ergebnis angeschoben werden und vor allen Dingen welche durchgreifenden Veränderungen überhaupt angeschoben werden können. Denn viele effektive Planungen im Hinblick auf den Klimaschutz und eine nachhaltige Regionalentwicklung werden ausdrücklich durch Verordnungen oder grundgesetzliche Festlegungen blockiert. Als Beispiel seien hier Widersprüche im Bodenschutz und in der Abfallvermeidung aufgezeigt.

2. Grundgesetz contra Bodenschutz

In Kapitel 10 der Lokalen Agenda 21 heißt es: Wenn die Nutzungsansprüche des Menschen in nachhaltiger Weise erfüllt sein sollen, muß für diese Nutzungskonflikte schon heute eine Lösung gefunden und eine wirksamere und schonendere Nutzung des Bodens und seiner natürlichen Ressourcen angestrebt werden.
  Die Notwendigkeit dieser Maxime ist unumstritten und wird anhand des Landschaftsverbrauches, d.h. der Bilanz der Flächenversiegelung für Wohnungsbau, Verkehr und Gewerbe z.B. im Kreis Unna besonders deutlich. So stieg der Anteil der versiegelten Fläche am Kreisgebiet von 1980 bis 1995 um 27%. In dünn besiedelten Kreisgebieten, wie in der Stadt Werne, stieg der Versiegelungsanteil in dieser Zeitspanne sogar um knapp 41%. Nach der laufenden Raumbeobachtung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung lag der Flächenverbrauch in den alten Ländern der Bundesrepublik Anfang der 90-er Jahre bei ca. 75 ha pro Tag. Ein Großteil dieses Flächenverbrauches beruht auf Ausweisung und Erschließung von neuen Gewerbegebieten, obwohl bereits seit geraumer Zeit erhebliche Schwierigkeiten bestehen, die bestehenden Flächen aufzusiedeln.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat das Kabinett in NW in seiner Sitzung am 24.9.96 den Grundsätzen zur Förderung gewerblicher Bauflächen des Ministeriums für Wirtschaft und des Ministeriums für Stadtentwicklung zugestimmt. Diese Grundsätze sehen für die Förderung u.a. folgende Bedingungen vor: Vorrang der Aufsiedlung von Brachflächen, Berücksichtigung des lokalen und regionalen Flächenbedarfs.
Die Voraussetzungen sind jedoch in dieser grundsätzlichen Art nicht zu rechtfertigen. Erstens ist die ausschließliche Bevorzugung der Brachflächenaufsiedlung aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen, da die Kommunen z.B. auf die Entwicklung der in Privatbesitz befindlichen Montanindustriebrachen keinen unmittelbaren Einfluß haben. Aus umweltpolitischen und städtebaulichen Erwägungen kann es darüber hinaus durchaus vorteilhafter sein, einen Acker in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Randbebauung zu erschließen und eine innerstädtische Brachfläche in eine Grün- und Freiflächennutzung zu überführen, als eben diese Brachfläche mit allen Risiken für die Gewerbenutzung zu reaktivieren.
Zweitens widerspricht die Berücksichtigung bzw. die unmittelbare Voraussetzung eines regionalen Flächenbedarfs über den Bedarf in einer Kommune hinaus der grundgesetzlich festgelegten Finanzautarkie der Gemeinden. Seit der preußischen Steuerreform von 1891 ist die Gewerbesteuer eine reine Gemeindesteuer. Nach Artikel 106 Abs. 6 des Grundgesetzes steht das Aufkommen der Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern) den Gemeinden zu. In der Struktur der gemeindlichen Steuereinnahmen steht die Gewerbesteuer an erster Stelle und ist damit die bedeutendste Steuereinnahme der Gemeinden.
Die Gewerbesteuereinnahmen sind durch umfangreiche Abschreibungsmöglichkeiten seit mehreren Jahren rückläufig. In vielen Gemeinden beträgt der Rückgang im Vergleich zu 1994 mehr als 40%. Auch nach Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bleibt -zumindest für die nicht durch einzelne Großbetriebe gekennzeichnete gemeindliche Wirtschaftsstruktur- die Gewerbesteuereinnahme wichtigste Quelle der Gemeindehaushalte.
Durch diese Gegebenheiten wird der für sich betrachtete, vernünftige Ansatz des regionalen Gewerbeflächenbedarfs ad absurdum geführt. Wie, so fragen sich die Kommunen, soll hier die Lokale Agenda 21 umgesetzt werden, wo doch nur der Gewerbebetrieb auf dem eigenen Gemeindegebiet zählt, da Steuern bringt? Die Kommunen tun vielmehr auch in Zukunft gut daran, die Ansiedlung von neuen Gewerbebetrieben zu fördern, d.h. sie müssen preiswert, verkehrlich gut erschlossene Flächen zur Verfügung stellen und vorhalten. Die gemeinschaftliche Wirtschaftsförderung und Ansiedlung auf regionaler Ebene bedürfte vorher einer völlig anderen Gemeindefinanzierung und demnach einer änderung des Grundgesetzes.
Im Hinblick auf einen effektiven Bodenschutz entzieht sich die Politik auf Bundes- und Landesebene ihrer Verantwortung. Das Baugesetzbuch gibt in seinem § 2 den Gemeinden das Recht, Bauleitpläne eigenverantwortlich aufzustellen. Der regionale Bedarf wird aus den geschilderten Zwängen i.a.R. nicht überprüft und das neue Bau- und Raumordnungsgesetz fordert im § 1a lediglich, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Auch das vorliegende Bodenschutzgesetz enthält keinerlei diesbezüglich effektive Regelungen. Im § 2 des Bundesnaturschutzgesetzes und im § 2 des Landschaftsgesetzes in NW heißt es wiederum nur lapidar: Boden ist zu erhalten; ein Verlust seiner natürlichen Fruchtbarkeit ist zu vermeiden. Konkrete Durchführungsvorschriften fehlen, obwohl eine direktive Einbeziehung in die gängige Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung für den Eingriff in Natur- und Landschaft nach § 4 Abs. 4 Landschaftsgesetz durchaus möglich und sinnvoll wäre.
Eine nachhaltige Bodennutzung kann daher in den Kommunen nur dadurch erlangt werden, indem abschnittsweise und modulartig gebaut und gefördert wird, welches durch vernünftige Regenwasserbewirtschaftung und der ausschließlichen Ableitung von Schmutzwasser möglich ist. So stehen die erfolgten Investitionen zeitnah zu den Aufsiedlungen. Notwendige Versiegelungen müssen mit wasserdurchlässigen Materialien erstellt werden, die Neuversiegelung kann in vielen Fällen durch entsprechende Entsiegelungsmaßnahmen kompensiert werden. Hierfür ist allerdings ein Oberflächenkataster zu erstellen.
Die Fördermittel aber müssen sich unbedingt auch zukünftig auf den Gemeindebedarf beschränken. Nur so bleibt die gesunde Konkurrenz der Kommunen untereinander bestehen und effektive, vorausschauende Planungen sowie eine funktionierende Wirtschaftsförderung spiegeln sich auf Dauer in der Finanzkraft und in der Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze einer Kommune wieder.

3. Abfallgesetz contra Abfallvermeidung

In der Lokalen Agenda 21 heißt es im Kapitel 21: Infolge nicht nachhaltiger Produktions- und Verbrauchsmuster nimmt die Menge und die Verschiedenartigkeit der in die Umwelt eingebrachten Abfälle in noch nie dagewesenem Umfang zu. Die besten Aussichten auf eine Umkehrung der Entwicklung bietet ein vorbeugender abfallwirtschaftlicher Ansatz, der schwerpunktmäßig auf eine veränderte Lebensweise und veränderte Produktions- und Verbrauchsmuster abzielt. Abfälle, und hiermit sind auch die Abfälle zur Verwertung angesprochen, sollen demnach zukünftig in erster Linie vermieden werden. Dies ist nun in der Tat keine neue Erkenntnis. Die Entwicklung zeichnet sich bereits über mehrere Jahre ab. Auch wenn zur Zeit von sinkenden Abfallmengen die Rede ist, ist zu beachten, daß es sich hierbei lediglich um die nicht mehr zu verwertenden Restabfälle handelt. In der Summe der Abfälle zur Verwertung und der Abfälle zur Beseitigung ist trotz aller Anstrengungen noch kein Rückgang ersichtlich.
Durch die fachgesetzlichen Regelungen wird eine nachhaltige Entwicklung blockiert. Die aufgrund des § 14 AbfG erlassene Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 fordert z.B. in ihrem § 1 Abs. 2 Satz 3, Verpackungen sind stofflich wiederzuverwerten. Insbesondere die Kunststoffabfälle und nach Aufbereitung das Kunststoffgranulat bereiten hier große Schwierigkeiten und treiben die Industrie zu immer kurioseren Verwertungswegen. So verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart das Land Baden-Württemberg durch ein Urteil vom 26. November 1997, einen Hauptbetriebsplan eines Bergwerksbetreibers zuzulassen, der DSD-Kunststoffgranulat als bergbaulichen Versatz vorsieht. Die Nutzung des Volumens als eine stoffliche Eigenschaft des Granulates mache es möglich, Rohstoffe in diesem Betrieb zu substituieren. Wissenschaftliche Untersuchungen stellen inzwischen selbst die beste werkstoffliche Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen in Frage, da der hohe ökonomische Aufwand kaum im Verhältnis zum ökologischen Nutzen steht.
Der Gesetzgeber reagiert daher in seinem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz auf die Schwierigkeiten der Industrie, stofflich wiederzuverwertende Verpackungen herzustellen und gleichzeitig das Recycling bezahlbar zu halten. Im § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG wird die stoffliche der energetischen Verwertung gleichgesetzt, wenn der Heizwert des Abfalls mindestens 11.000 kJ/kg beträgt. Im Klartext bedeutet dies, daß getrennt gesammelte Kunststoffabfälle verbrannt werden dürfen.
Der kommunalen Abfallberatung gehen nach dem Bekanntwerden dieser "Verwertung" der getrennt erfaßten Kunststoffabfälle die Argumente aus.
Die seit Jahren andauernde Kritik von Abfallwirtschaftsexperten an dem auf den Vorgaben der Verpackungsverordnung beruhenden Dualen System, dessen Einrichtung Hersteller und Vertreiber von Verpackungen von umfangreichen Rücknahme- und Pfandpflichten freistellt, soll hier nur durch einige wenige Zahlen bestärkt werden: So stieg der Anteil an Dosenbier an der Gesamtproduktion von 12,7% im Jahre 1993 auf 16,9% im Jahr 1995. Dies bedeutet eine Steigerung um 33% in nur zwei Jahren11. Sogar bayerisches Weißbier ist seit geraumer Zeit in der Dose zu kaufen, wobei der Grüne Punkt des DSD die Umweltverträglichkeit suggeriert. Die Freistellung von Pfand und Rücknahme gelten laut Verpackungsverordnung nur unter der Bedingung, daß der Gesamtmehrweganteil an allen Getränkeverpackungen (außer Milch) im Bundesgebiet mindestens 72% beträgt. Dieser Mehrweganteil aller Getränkeverpackungen ist in Deutschland seit 1993 rückläufig, und beträgt nur noch 72,2%.
Hält der Trend an, kippt das gesamte System. Die Getränkeindustrie möchte konsequenterweise diese Forderung in der Verpackungsverordnung möglichst komplett streichen. So soll es der Dosenabfüller Coca-Cola derzeit versuchen, die Landesregierungen mit möglichen Investitionen von 500 Mill. DM zu einer Novellierung der Verpackungsverordnung zu bewegen.
Die Möglichkeiten der Kommunen im Rahmen der Lokalen Agenda 21, beispielsweise den ressourcenintensiven Dosenverbrauch im Getränkebereich einzudämmen und damit die Verbrauchergewohnheiten zu steuern, sind sehr gering und beschränken sich direktiv auf den eigenen Bedarf bzw. auf die auf eigenen Flächen stattfindenden Veranstaltungen. Trotz großem Aufwand für die Abfallberatung steigt der private Verbrauch. Die Umweltpolitik des Bundes und der Länder muß hier Flagge zeigen. Mehrwegsysteme und Verpackungen, die mit einem angemessenen finanziellen Aufwand stofflich wiederverwertet werden können, lassen sich nach allen bisher gewonnenen Erfahrungen einzig und allein durch eindeutige gesetzliche Regelungen erwirken.

4. Konsequenzen für die Kommunen

Wie an den beiden aufgeführten Beispielen zu erkennen, ist der Handlungsspielraum der Kommunen im Rahmen der lokalen Agenda zum effektiven Ressourcenschutz stark eingeschränkt. Solange zum Beispiel das Grundgesetz über die Gemeindefinanzierung eine kommunale Zusammenarbeit in der Gewerbeflächenentwicklung blockiert und das Fachgesetz über die Ausgestaltung der Verpackungsverordnung einer Abfallvermeidung entgegenläuft, ist die Übertragung der Verantwortung für den wirkungsvollen Klima- und Umweltschutz auf die Kommune als bloße Abwälzung zu interpretieren.
Durchgreifende und nachhaltig wirkende Maßnahmen sind nur mit entsprechenden Gesetzesänderungen und mit einer dadurch implementierten Verteuerung der unerwünschten Inanspruchnahme der Umwelt zu erzielen. Die Industrie, aber auch der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung läßt sich - wie z.B. nach dem Splitting der Abwassergebühren ersichtlich - lediglich und nahezu ausschließlich über den Geldbeutel lenken.
Die Kommunalverwaltungen müssen sich der geschilderten Unzulänglichkeiten bewußt werden und diese Ergebnisse ihren Politikern und engagierten Gruppen mitteilen, auch wenn zu befürchten steht, daß die kommunalen Entscheidungsträger bei den beteiligten Gruppen und Kreisen in eine gewisse Ungunst geraten. Anstelle einer Bindung in vielen Arbeits- oder Gesprächskreisen zu bundes- oder landespolitischen Themen, sollten sich Verwaltung, Rat und interessierte Bürgerschaft in den Kommunen vielmehr ihrem Handlungsspektrum bewußt werden und sich auf dieses konzentrieren.
Zu den konkreten, bekannten und in der Verantwortung der Kommunen liegenden Maßnahmen, die effektiv und produktiv weiter verfolgt werden sollten, gehören in erster Linie die Nachrüstung öffentlicher Gebäude nach der Wärmeschutzverordnung, der Neubau öffentlicher Gebäude nur in Niedrigenergiebauweise, die Planung von Blockheizkraftwerken oder anderer innovativer Systeme für die Energieversorgung neuer Baugebiete sowie öffentlicher Einrichtungen, die Förderung des ÖPNV und des Radverkehrs, die Mehrung und Pflegeextensivierung städtischer Grünflächen, die möglichst umfassend getrennte Erfassung der Abfälle und in diesem Zusammenhang die Aufklärung der Bürger. Vor allem bei letztgenannten Handlungsfeldern kann die als sehr positiv zu beurteilende Energie der im Agendaprozeß beteiligten Basisgruppen umgewandelt werden.
Die Politik in Bund und Land darf durch die Einrichtung neuer Nebenschauplätze nicht aus ihrer gesetzgeberischen Verantwortung zur Umsetzung einer unumstritten notwendigen nachhaltigen Regionalentwicklung entlassen werden. Mit der Delegation der Verantwortung auf die Kommunen und den einzelnen Bürger ist es nicht getan! Vor allen Dingen darf sie nicht Handlungsanweisungen an die Kommunen geben, die zwar gut klingen und populistisch sind, die aber gleichzeitig dem Grundgesetz entgegenlaufen oder die durch die eigene Fachgesetzgebung konterkarriert werden.

Publikation

Lokale Agenda 21 und Konsequenzen für die Kommunen. Eildienst - Informationen für Rat und Verwaltung des Deutschen Städtetages, 08.10.98. Abdruck in: Saarländische Kommunal Zeitschrift - Mitteilungsblatt für Ratsmitglieder und Kommunalverwaltungen Heft 11, 1998. pdf-file 0,11 MB. get

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